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Keynes im Licht der modernen Komplexitätstheorie


Der Engländer John Maynard Keynes ist einer der einflussreichsten Ökonomen des
20. Jahrhunderts. Als sein Hauptwerk gilt die erstmalig im Jahr 1936 veröffentliche "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Geldes und des Zinses".

Ich bin inzwischen zu der Auffassung gelangt, dass dieses Werk in zentraler Hinsicht anders zu verstehen ist, als alle bisherigen Interpretationen. Keynes nahm meiner Ansicht nach ein Verständnis von Prozessabläufen vorweg, das erst in den 1970er Jahren unter Naturwissenschaftlern zaghafte Verbreitung fand: die moderne Komplexitätstheorie. Sie besagt, dass die meisten Prozesse in der Natur gleichermaßen wie in der menschlichen Gesellschaft nach universellen  "Gesetzen des Chaos" ablaufen.

Fünfzig Jahre später haben nur die wenigsten Wirtschaftswissenschaftler mit dieser Theorie Bekanntschaft gemacht. Damit bleibt Keynes Analyse im Kern bis heute nicht ausreichend verstanden. Stattdessen hat sich vor allem in Gewerkschaftskreisen ein  Vulgär-Keynesianismus breit gemacht, der von konservativen Ökonomen zu Recht abgelehnt wird. Gleichwohl haben auch diese Keynes gegenüber kritischen eingestellten Wirtschaftswissenschaftler den großen Wert seiner Analyse nicht verstanden.

Wie konnte es passieren, dass ich, ohne beruflich als forschender Wirtschaftswissenschaftler tätig zu sein,  eine derart von nahezu allen anderen Ökonomen abweichende Meinung entwickeln konnte? Nun, das geschah so:

Die 1936 angefertigte deutsche Übersetzung von Keynes wies ernsthafte Mängel auf. Dieser Auffassung war auch Prof. Dr. Hajo Riese, damals Leiter des Instituts für Theorie der Wirtschaftspolitik an der FU Berlin. Gleichzeitig war Riese bereits als eigenwilliger Interpret von Keynes Theorie bekannt, was als "Berliner Schule" Beachtung fand.
Mit der moralischen Untertützung von Professor Riese wagte sich meine Kommilitonen Oswald und Bertram  im volkswirtschaftlichen Grundstudium zusammen mit mir 1977-78 daran, das Buch neu zu übersetzen. Mit einer probeweisen angefertigten Übersetzung des zentralen 18.  Kapitels wandten wir uns an den Berliner Verlag Duncker & Humblodt, in dem die deutsche Übersetzung erschienen war. Unserer Bitte um Beauftragung mit einer Neuübersetzung konnte damals nicht entsprochen werden, weil das Urheberrcht des früheren Übersetzers noch nicht abgelaufen war und seiner Familie weiterhin Tantiemen zustanden. Und dabei blieb es zunächst bis zum Jahr 2004.

Um auch während der praktischen beruflichen Tätigkeit nicht den Kontakt zur Wirtschaftswissenschaft zu verlieren,  war ich Anfang der 2000er Jahre in die zwischenzeitlich gegründete Keynes-Gesellschaft eingetreten. Ein überzeugter Keynesinaer war ich jedoch nicht, denn im Studium war mir eine bis dato unter Ökonomen nicht angesprochener Zirkelschluss in Keynes Begründungszusammenhängen aufgefallen, was mir als Ergebnis einer schriftlichen Hausarbeit ein "sehr gut" eintrug. 

Im heißen Sommer des Jahres 2004 saß ich dann zunächst allein in meinem Hamburger Büro, in dem ich mich kurz zuvor unter der Firmenbezeichung Tenman* selbstständig gemacht hatte. Noch mangelte es an Aufträgen. Da erschien es mir als sinnvolle Beschäftigung, die alte Keynes-Übersetzung noch einmal hervorzuholen, zu überarbeiten und damit erneut bei Duncker & Humblodt anzufragen. Schließlich, so dachte ich, müsste doch das Urheberrecht des früheren Übersetzers inzwischen abgelaufen sein.
Doch als ich nun über den im Englischen merkwürdig verdrehten Sätzen des Herrn Keynes brütete,  empatisch in seine Sprache versunken, fiel mir ein bislang unentdeckter "Schwung" in diesen Drehungen auf, ein versteckter Rythmus, der fast einen musikalischen Charakter besaß. Aus dem einst kritisierten Zirkelschluss entstand auf einmal die Empfindung einer rollenden "Achterbahn", die nach heftigem Auf und Ab wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt, nur um neuen Anlauf zu nehmen.

Zudem entdeckte ich bei meiner vertieften Einarbeitung eine Textstelle (im Übergang von Seite 201 zu 202 der bei Macmillan Press erschienenen Originalausgabe), die - nach meiner Kenntnis - noch niemals Gegenstand einer Diskussion von Keynes-Kennern war, obwohl sie doch eine recht präzise Handlungsanweisung dafür darstellt, wie  Kapitalanleger bei  erwarteten Zinsänderung  in einer bestimmten Größe ihre Kassenhaltung bzw. ihre Liquiditätsposition verändern bzw. verändern sollten. Ich nenne diese Regel die "Zinsquadrat-Regel". Und die daraus vermutlich abzuleitende mathematischen Gleichung kam mir bekannt vor....

Nur wenige Zeit zuvor war ich  in einer Hamburger Buchhandlung rein zufällig auf ein Taschenbuch gestoßen, das meine Aufmerksamkeit weckte. Wie groß dieser Zufall war, lässt sich ermessen, wenn ich Ihnen berichte, dass eigentlich meine Frau auf der Suche nach einem Roman von Friedrich Dürrematt war und ich sie begleitete. Das gesuchte Buch war in fünf Hamburger Buchläden nicht vorrätig. Erst im sechsten Geschäft wurden wir fündig. Und dort eben fiel mir dieses kleine Taschenbuch aus dem Knauer-Verlag auf: James Gleick " Chaos - die Ordnung des Universums. Vorstoß in Grenzbereich der Physik." Der Titel der amerikanischen Originalausgabe aus dem Jahr 1987 lautet: "Chaos - Making a New Science" .
Der Autor James Gleick ist ein Wissenschaftsjournalist und verfügte daher über die Gabe, selbst mir als naturwissenschaftlichem Laien die Grundzüge des neuartigen Naturverständnisses vom "Chaos" nahezubringen.  Und an diesem Punkt eröffneten sich dann auf einmal die erstaunlichsten Zusammenhänge zu Keynes Theorie....!

Ich behaupte, dass diese Zusammenhänge erhebliche Bedeutung für eine grundlegend verändere Form der wirtschaftspolitischen Konjunktursteuerung haben können.

Inzwischen war das Urheberrecht bei Dunker & Humblodt tatsächlich abgelaufen.  Pech war, dass sich der Vorsitzende der Keynes-Gesellschaft inzwischen selbst um eine Neuübersetzung bemüht und kurz vor meiner wiederholten Anfrage den Zuschlag dafür erhalten hatte. Diese Neuübersetzung stellt sicherlich eine moderne verbesserte Version dar und wird heute im universitären Lehrbetrieb verwendet. Gleichwohl wage ich behaupten, dass meine 2005 angefertige Version des 18. Kapitels ein besseres Verständnis des gesamten Werke erlaubt. Die nunmehr an den Neuübersetzer  vergebenen Verlagsrechte erlauben es mir nicht, die eigene Teilübersetzung zu veröffentlichen. Wer sich dafür interessiert, mag sie aber gerne auf privater Basis bei mir kostenfrei anfordern.

Das Jahr 2011 markierte dann das 75-jährige Jubiläum von Keynes "Allgemeiner Theorie". Die Keynes-Gesellschaft stellte aus diesem Anlass ihre Jahrestagung, die an einer großartig ausgestatteten privaten Hochschule im türkischen Izmir stattfand, unter das Motto des Rückblicks auf die bisherigen Keynes-Rezeptionen. Meine persönliche Keynes-Rezeption hatte ich in der Zwischenzeit zu einem ersten Manuskript zusammengefasst, das ich vorab an einige Mitglieder der Gesellschaft versandte. Dazu einen Vortrag einzureichen wagte ich allerdings nicht: die wichtige Frage, welche Begründung sich für die von Keynes`sche behauptete Zinsquadrat-Regel überhaupt finden lässt, konnte ich nicht beantworten.

Auf der Tagung in Izmir hielt  Hermann Meemken, ein ebenfalls nicht im universitären Wissenschaftsbetrieb verankerter Ökonom, einen auf Keynes bezogenen Vortrag über eine neue "systemische Markttheorie".  Hermann Meemken hatte ebenfalls an der Freien Universität Berlin bei Professor Riese studiert. Sein Vortrag, den er teilweise am Beispiel eines Fischteichs zu erläutern versuchte, traf auf völliges Unverständnis der anderen Konferenzteilnehmer und wurde als abwegig kritisiert. Ich hingegen verstand auf Anhieb, was geschehen war: Meemken hatte auf seinen gedanklichen Pfaden das erkannt, was auch ich inzwischen von Keynes verstanden zu haben glaube.

Zwischenzeitlich hatte ich im Rahmen meiner Unternehmung Tenman Prognosys GmbH unter dem Titel "RIKES - Research Institute für Knowledge-based Economic Systems" eine Manuskriptreihe begonnen. In dieser Reihe veröffentlichte ich das 2011 versandte, aber wissenschaftlich noch unvollständige  Manuskript zu "Keynes im Licht der modernen Kompelxitätstheorie" auf den Internetseiten der GmbH. Während ich an meiner noch ungeklärten Fragestellung laborierte, lud ich Hermann Meemken ein, eine Zusammenfassung seiner neuen wirtschaftlichen Systemtheorie bei RIKES  einzureichen. Diese Zusammenfassung findet sich auf der nächsten Navigationsseite.

Inzwischen hat es fast zehn weitere Jahre gedauert, bis ich meine damals aufgeworfenen Fragestellungen klären konnte:
- Wie gelangte Keynes zu seiner Zinsquadratregel?
- Ist die Regel überhaupt zuverlässig begründbar?
- Und hat diese Regel für den praktischen Handel an modernen Kapitalmärkten
   tatsächlich eine Relelevanz?
Nunmehr jedoch, im Frühjahr 2020,  kann ich alle diese Fragen beantworten.  Wie meist in der Wissenschaft, verweisen die Antworten teilweise auf weitere Fragestellungen - zum Beispiel an die wirtschaftshistorische Forschung zu Keynes praktischer Tätigkeit als Kapitalanleger und als Vorstand einer britischen Versicherungsgesellschaft. Dementsprechend finden sich in meinem erweiterten Aufsatz zum Ende hin noch eine Reihe von Querverweisen.

Unterstützung habe ich inzwischen von dem Ingenieur und Ökologen Lothar Krätzig-Ahlert erhalten, der auf meine Internet-Veröffentlichung aufmerksam wurde. Er beschäftigt sich mit verwandten Fragestellungen aus der "Ökonophysik" und ist ein mathematisch versierter Ingenieur.  Ihm verdanke ich einen wichtigen Hinweis auf die mathematische Struktur von Gleichungssystemen.  Nachdem es nicht möglich war, unsere Gedanken auf der Keynes-Tagung  2021 vorzutragen, habe ich einen Beitrag für den Blog auf der Webseite der Keynes-Gesellschaft eingereicht. Der Link dazu befindet sich in dem fett markierten Passus auf der Startseite.

Den aktualisierten Aufsatz "Keynes im Licht der modernen Komplexitätstheorie", ergänzt um die beiden später ergänzten Anhänge "Hicks und Keynes oder die Quadratur des Zinses"  und "Keynes als Kapitalanleger" können Sie unter dem markierten Link aufrufen.

Die hier verfügbare englische Übersetzung des Aufsatzes entält leider keine Fußnoten und lässt auch die zitierten  Textpassagen nicht deutlich werden, denn das war mit dem Automatimus der Software "Deepl" nicht möglich.